Arbeitspakete
Das Projekt H2-Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria verbindet Forschungsaktivitäten in den Bereichen Power-to-Methanol, Sustainable Aviation Fuels, Kreislaufwirtschaft und Reststoffnutzung, Kohlenstoffdioxidabscheidung an Silica basierten Adsorbentien, CO2 Direktelektrolyse zu grünem Ethylen und Produktion von Wasserstoff an einer CO2-negativen Biogasanlage. Zudem werden die experimentellen Forschungsvorhaben durch die Untersuchung übergreifender Systemaspekte und Planungen zur Fortentwicklung des Industriestandorts Burghausen begleitet. Für die Projektleitung und Koordination der Aktivitäten gibt es schließlich ein eigenes, übergreifendes Arbeitspaket.
Arbeitspaket 0
Koordination und Projektleitung
Im Zuge des Arbeitspakets 0 übernimmt die Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria gGmbH die Gesamtprojektleitung und Koordination des Reallabors und fungiert gleichzeitig als Schnittstelle zwischen den wissenschaftlichen Partnern und den Industriebeteiligten. Die gGmbH kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und Außendarstellung des Projekts.
Arbeitspaket 1
Systemaspekte und Zukunftsplanung (ESys)
Das Arbeitspaket 1 spannt den Rahmen über die technologisch-fokussierten Arbeitspakete 2-7, in dem das Bayerische Chemiedreieck systemisch und ganzheitlich betrachtet wird, stoffliche und energetische Abhängigkeiten sowie Synergiepotenziale aufgezeigt und Szenarien für die zukünftige Ausgestaltung des Chemiestandorts erarbeitet werden. Die Ergebnisse dieses Arbeitspakets führen somit zu einer Zukunftsplanung für die Bereitstellung des im Bayerischen Chemiedreieck benötigten H2 sowie der weiteren erforderlichen Energie- und Stoffströme. Die Ergebnisse fließen direkt in die Arbeitspakete 2-7 ein, um die Technologieentwicklungen kontinuierlich mit den Bedarfen des Bayerischen Chemiedreiecks zu synchronisieren und eine schnellstmögliche Entwicklung zur Marktreife zu gewährleisten.
Arbeitspaket 2
Power-to-MeOH (PtMeOH)
Im Arbeitspaket 2 steht die Defossilisierung der chemischen Industrie auf Basis von Elektrolyse-H2 und dessen Umwandlung zur Plattformchemikalie Methanol (MeOH) im Fokus.
Neben neuen Technologien zur Verbesserung der gesamten Prozesskette (Strom zu H2 zu Methanol) wird die Dynamik und Regelung von PtMeOH-Anlagen untersucht, die durch fluktuierende erneuerbare Energien eine neue Wichtigkeit erhält.
Zusätzlich wird eine dynamische Carbon Capture Container Anlage an der Rückstandsverbrennungsanlage von WACKER am Standort Burghausen umgesetzt. Diese wird mit dem PtMeOH Container gekoppelt, um eine CCU-Kette an einer unvermeidbaren CO2-Quelle zu demonstrieren.
Arbeitspaket 3
Sustainable Aviation Fuels (SAF)
Um den Ausstoß von Treibhausgasen im Flugverkehr in naher Zukunft zu senken und einen grünen Wiederaufschwung des Flugverkehrs zu ermöglichen, fokussiert sich das Arbeitspaket 3 auf die Erforschung neuartiger H2-basierter Technologierouten zur Herstellung nachhaltiger Flugtreibkraftstoffe. Basierend auf der vorhandenen Anbindung des Bayerischen Chemiedreiecks an den Münchner Flughafen laufen derzeit verschiedene Aktivitäten im Bereich der Herstellung und Integration klimaneutraler Flugtreibstoffe auf bayerischer Ebene.
Im H2-Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria wird die Entwicklung einer innovativen bio- und thermokatalytischen Prozessroute vorangetrieben, die ähnlich einer vollständig integrierten Bioraffinerie Biokerosin herstellt und gleichzeitig H2-basierte Grundchemikalien für die Abnehmer im Chemiedreieck erzeugen kann. Um diese im Kontext bisheriger Aktivitäten zu bewerten und mit den lokalen Partnern aus der Luft- und Raumfahrtbranche in Kontakt zu treten, führt das Bauhaus Luftfahrt (BHL) übergeordnete Studien in AP1 durch.
Arbeitspaket 4
Kreislaufwirtschaft und Reststoffnutzung (KUR)
Im Arbeitspaket 4 werden neuartige Technologien für die Reststoffnutzung und das Recycling zur Erzeugung von Grund- und Feinchemikalien anhand von drei Forschungsschwerpunkten vorangetrieben, um einen Beitrag zur Transformation der chemischen Industrie hin zu geschlossenen Stoffkreisläufen zu leisten.
Im ersten Schwerpunkt steht die thermochemische Umwandlung von komplexen Reststoffen (Mischkunststoffe, chlorhaltige Reststoffe, etc.) als Form des (thermo-)chemischen Recyclings im Fokus. Im betrachteten Prozess wird H2-reiches Synthesegas bzw. reines H2 und fester Kohlenstoff unter Einsatz von Pyrolyse- und Plasma-Vergasungstechnologie aus komplexen, inhomogenen Reststoffen hergestellt.
Im zweiten Schwerpunkt steht die thermische Verwertung von industriellen und kommunalen Klärschlämmen für die stoffliche Nutzung im Vordergrund.
Der dritte Forschungsschwerpunkt ist die Reststoffnutzung mittels bio-katalytischer und elektrochemischer Routen. Hierzu wird zum einen ein katalytischer Prozess zur Herstellung eines biobasierten Polymers (PET-Alternative) aus Biorestmasse mit integrierter Wasserstoffrückführung durch „Hydrogen borrowing“ Kofaktoren entwickelt, der sukzessive ins Upscaling gebracht werden soll. Zum anderen wird die Hydrogenolyse von Biomasse und Polymerreststoffen zu Grund- und Feinchemikalien (insbesondere Aromaten) betrachtet. Darüber hinaus werden elektrochemische Verfahren zum Recycling chlorhaltiger Flüssigfraktionen untersucht.
Arbeitspaket 5
Kohlenstoffdioxidabscheidung an Silica-basierten Adsorbentien (KASil)
Ziel des Projekts KaSil ist die Entwicklung eines kostengünstigen, industriell einsetzbaren Verfahrens zur Isolierung von CO2 aus Abgasen. Dazu sollen zunächst neuartige Feststoff-Adsorbentien auf Basis von Kieselsäuren entwickelt werden. Das Kieselsäure-Trägersystem auf Pulverebene wird dabei maßgeblich durch seine spezifische Oberfläche, die Porengrößenverteilung und das Porenvolumen bestimmt. Zur Optimierung der Sorptionscharakteristik für CO2, d.h. zur Steigerung der Adsorptionsenthalpie, wird auf den Träger eine CO2-spezifische Komponente aufgebracht. Dabei kann es sich beispielsweise um mono-, oligo- oder polymere Aminoverbindungen oder auch um basische Alkali- oder Erdalkaliverbindungen wie Hydroxide oder Carbonate handeln.
Bei den Aminoverbindungen ist gegenüber dem Stand der Technik deren zum Teil deutlich begrenzte Langzeitstabilität infolge von Abbauprozessen der Aminofunktion bzw. Ausbluten zu verbessern. Neben den chemisch-physikalischen Fragestellungen ist bei der Materialentwicklung der Adsorbentien insbesondere die Überführung der feinteiligen Kieselsäuren in eine zum Einsatz in einem großtechnischen Adsorber geeignete Form von zentraler Bedeutung. Dabei dürfen die oben genannten entscheidenden Materialparameter nur unwesentlich negativ beeinflusst werden.
Erfahrungsgemäß wird sowohl die Adsorptionskapazität als auch insbesondere die Ad- und Desorptionskinetik durch den Formgebungsprozess verändert. Wurde ein geeignetes Adsorbens erfolgreich im Labor hergestellt, soll dieses in einen Produktionsprozess im betrieblichen Maßstab überführt werden und anschließen in einer für das Adsorbens optimierten Pilotanlage an realen Abgasströmen getestet werden.
Arbeitspaket 6
CO2-Direktelektrolyse zu grünem Ethylen (CODE)
Ziel des Arbeitspaket 6 ist die umfassende und nachhaltige Verwendung von CO2 aus Zementabgas zur Synthese von grünem Ethylen basierend auf einer neuartigen CO2-Direktelektrolyse. Am Ende des Projekts soll der Nachweis der technischen Machbarkeit für das Gesamtverfahren in einem Demonstrator mit Umsatz von einigen Kilogramm pro Tag erbracht werden. Durch diesen innovativen und synergetischen Prozess entsteht eine regionale und umfassende Wertschöpfungskette, von der Emissionsreduktion von (unvermeidbarem) CO2 aus dem Zementwerk Rohrdorf, über die Entwicklung einer energieeffizienten, direkten Elektrosynthese von grünem Ethylen, bis hin zur Verwertung dieses nun nicht-fossilen Grundstoffs für die chemische Industrie am Standort Burghausen.
Dieser Dekarbonisierungsweg bietet allen beteiligten Partnern ein Maximum an Wertschöpfung und stellt gleichzeitig ökologisch eine sinnvolle Nutzung von erneuerbarer Energie dar, da der Kohlenstoff durch Weiterverarbeitung des nachhaltig produzierten Ethylens zu Polymeren, Harzen, funktionellen Bausteinen sowie Kunst und Verbundstoffen langfristig fixiert wird.
Das Projekt integriert sich in die anderen Bereiche des H2-Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria, da die Folge- und Beiprodukte der elektrochemischen Ethylen-Synthese, wie Kohlenmonoxid und Wasserstoff, wichtige Koppelprodukte für die weiteren Arbeitspakete des Gesamtprojektes darstellen.
Das Konsortium vereint alle erforderlichen Kompetenzen, d.h. die Zementrauchgas-Behandlung und CO2-Abscheidung, die Elektro- und Synthesechemie sowie die Aufarbeitung und Verwertung der Produkte, und somit kann realistisch innerhalb von 48 Monaten ein grüner Ethylen-Industrieprozess demonstriert werden. Dabei entstehendes Knowhow und Innovation wird zu Schutzrechten angemeldet bzw. verwertet mit dem Ziel, Technologieführerschaft in Dekarbonisierung im Interesse des Konsortiums herzustellen. Für das Bayerische Chemiedreieck trägt grünes Ethylen aus CO2 vom Zementwerk Rohrdorf damit zentral zur Entfaltung vorhandener Kompetenzen und Stärken sowie zur raschen Ökologisierung und Erlangung ökonomischer Unabhängigkeit von fossilen Importen und volatilen Märkten bei.
Arbeitspaket 7
Produktion von Wasserstoff an einer CO2-negativen Biogasanlage
Das Arbeitspaket 7 umfasst die Entwicklung und Demonstration eines neuartigen, reversiblen Festoxidzellen-Systems (reversible Solid Oxide Cells – rSOC) und die Kopplung mit einer Biogasaufbereitungsanlage. Im Rahmen des Arbeitspakets werden aus Biogas und regenerativem Strom Wasserstoff und flüssiges Kohlendioxid als Ausgangsstoffe für die Synthesen in den Arbeitspaketen 2, 3 und 4 gewonnen.
Ziel des Arbeitspakets ist die erstmalige Integration der innovativen Reverion-Technologie in eine Biogasaufbereitungsanlage und die Demonstration des netzdienlichen Betriebs der gesamten Prozesskette (am Ende des Projekts TRL 7).